Der Rückenprotektor: Wie wichtig er wirklich ist!

Wenn man sich heutzutage auf den Skipisten umsieht, lässt sich ein erfreulicher Wandel beobachten: Im Gegensatz zu früher fallen einem kaum noch Ski- oder Snowboardfahrer ohne Helm auf. Nahezu 90 Prozent aller Wintersportler tragen auf den Pisten den essenziellen Kopfschutz. Das zunehmende Bewusstsein für Schutz und für das richtige Equipment,  das dir Sicherheit bietet,  zeigt sich auch in anderen Outdoor-Aktivitäten wie beispielsweise beim Tourengehen oder beim Freeriden.

Lediglich knapp über 15 Prozent der Wintersportler tragen einen Rückenprotektor. Neben einem Helm sollte ein Protektor jedoch zur Standardausrüstung  eines jeden Skifahrers und Snowboarders gehören. Denn mit mehr als 15 Prozent sind Wirbelsäulen- und Brustverletzungen die am häufigsten auftretenden Verletzungen auf Skipisten – meist verursacht durch heftige Zusammenstöße. Auch schwere Rückenmarksverletzungen und Schäden, die einen langen Heilungsprozess haben oder unheilbar bleiben, können die Folge von Skiunfällen ohne Protektor sein.

Daher ist es sinnvoll, den Fokus darauf zu legen, solche Wirbelsäulenverletzungen zu vermeiden und unseren Rücken richtig zu schützen! Folgendes erfährst du bei uns zum Thema Rückenprotektor:

 

 

Rückenprotektor Komperdell
©Komperdell

 

WELCHE FUNKTION HAT EIN RÜCKENPROTEKTOR?


1. Bei einem Aufprall, einem Sturz oder einer Kollision schützt der Protektor deinen Oberkörper. Die dabei entstehenden Kräfte werden durch ihn großflächig über den gesamten Rücken verteilt, die Aufprallenergie wird somit gedämpft.

2. Der Rückenprotektor verhindert als „effektive Schutzfläche“, dass sich spitze Gegenstände wie Äste, Steine oder Stecken in den Rücken bohren.

3. Er dient zur Stabilisation der Wirbelsäule.

 

AUS WELCHEN MATERIALIEN WERDEN RÜCKENPROTEKTOREN HERGESTELLT?


Hinsichtlich des Materials und dessen Beschaffenheit unterscheidet man bei Rückenprotektoren Soft- und Hartschalenprotektoren.

Bei Soft-Protektoren schützen flexible und leichte Materialien den Rücken. Sie bestehen aus Kunststoffschäumen wie Polyurethan (PU) oder Ethylenvinylacetat (EVA), die jeweils in unterschiedlichen Schichten übereinander gelegt werden, um den Protektor so noch leichter zu machen. Sogenannte viscoelastische Schaummaterialien schmiegen sich sehr gut an den Rücken, da sie aufgrund der Körpertemperatur warm und damit weicher werden. Wenn der Protektor ausgezogen wird, nehmen sie wieder ihre ursprüngliche Form an.  Dies geschieht auch  bei einem Sturz: die Schaummaterialien dämpfen die Aufprallenergie und verändern kurzzeitig ihre Struktur. Aber auch danach erlangt der Protektor wieder die anfängliche Form. Dieses Zurückkehren in die Ursprungsform nennt man Mehrschlagfähigkeit. Diese ist vor allem ein Kriterium für sehr hochwertige Protektoren. Es gibt aber auch Protektoren, wie beispielsweise aus Polysterol, die meist nach nur einem Sturz ersetzt werden müssen.

Bei leichten Stürzen und minimalem Bodenkontakt bleibt das Material weich und dämpft somit sacht. Kommt es hingegen zu einem heftigeren Sturz, verhärtet sich das Material, um die Aufprallenergie schnell zu absorbieren. Fällt ein Skifahrer oder Snowboarder auf den Schnee oder auf die flache Skipiste, ist ein Soft-Protektor gut geeignet.

 

 

Hartschalenprotektoren bestehen aus hartem, wenig elastischem Kunststoff (Polypropylen (PP) oder Polycarbonat (PC))  und können daher die Aufprallenergie nach beispielsweise einer Kollision schlecht absorbieren und kaum dämpfen. Durch einen dämpfenden Schaumstoff auf der Rückeninnenseite und einer stoßfesten Hartstoffkunstplatte auf der Außenseite hat der Hartschalenprotektor eine hohe Durchdringungsfestigkeit und schützt dich so vor spitzen Gegenständen und scharfen Kanten. 

 

Der Hartschalenprotektor ist aufgrund des verwendeten Materials schwerer als der Soft-Protektor. Um neben reduziertem Gewicht auch mehr Beweglichkeit zu garantieren, ist die Hartstoffkunstplatte in mehrere kleine Platten unterteilt – so wird auch ein besserer Luftaustausch ermöglicht.

 

Komperdell_Protektor_low

Foto: Luftaustausch ©Komperdell

 

WIE ERKENNST DU EINEN GUTEN RÜCKENPROTEKTOR?


Abgesehen von persönlichen Vorlieben, guter Passform und bequemem Tragekomfort solltest du beim Kauf darauf achten, dass der Protektor ein Prüfzeichen hat. Und zwar die Zertifizierung nach EN 1621-2, welche vom Motorradbereich auf den Skisport übertragen wurde und seit Juli 2014 gültig ist. Bei der Prüfung wird der Protektor einer Stoßdämpfung unterzogen. Dabei wird die Aufprallenergie gemessen, die trotz des Protektors den menschlichen Körper erreicht. Je kleiner dieser Wert ist, desto besser ist der Schutz des Protektors.

Die Norm unterteilt zwei Schutzlevel:

Schutzlevel 1: Bei fünf Schlägen dürfen nicht mehr als durchschnittlich 18 kN auf den Körper einwirken, und kein Einzelschlag darf über 24 kN sein.
Schutzlevel 2: Die Restkraft darf nicht mehr als durchschnittlich 9kN sein, der Einzelschlag darf 12 kN nicht überschreiten.

Zudem sollte der Protektor temperatur- und feuchtigkeitsbeständig sein und eine Mindestschutzzone haben. Auch eine durchgehende Schutzfläche ist wichtig, da an freiliegenden Stellen die Angriffsfläche für Krafteinwirkungen groß ist und so leichter Verletzungen entstehen können.

 

Protector Test
©Komperdell

 

DIE RICHTIGE PASSFORM


Ganz wichtig beim Kauf eines Rückenprotektors ist, dass er richtig und gut sitzt, denn nur so kann er dich vor schweren Wirbelsäulen- und Brustverletzungen bei Stürzen bewahren. Ist der Protektor zum Beispiel zu groß, kann er dich bei einem Aufprall an der Halswirbelsäule verwunden. Daher gilt es, sich für den Kauf Zeit zu nehmen und einige Dinge zu beachten:

  • Der Protektor sollte die Fläche vom Halswirbel bis zum Steißbein abdecken. Geschützt sollten dabei die Lenden,- Brust- und untere Halswirbelsäule werden. Idealerweise reicht er über die Schulterblätter.
  • Bei der Bestimmung der Größe kann die Konfektionsgröße ein Anhaltspunkt sein. Viel wichtiger ist an dieser Stelle jedoch die Rückenlänge. Beide Größen sollten von einem Verkäufer fachgerecht abgemessen werden.
  • Ratsam ist es, wenn du Deine Skibekleidung zur Anprobe trägst. Die meisten Protektoren werden direkt auf der Skiunterwäsche getragen. So kannst du auf Nummer sicher gehen, dass der Protektor gut unter deine Skijacke passt.
    Hierbei gilt es auch zu beachten, dass ein Protektor oftmals eine komplette Kleidungsschicht (2nd Layer) ersetzen kann, da er durch seine körpernahe Passform viel Wärme spendet. Entscheidest du dich beispielsweise für einen Protektor mit Steißbeinschutz, wird dieser in der Skihose getragen.
  • Es gibt Herren- und Damenmodelle, da die weibliche Körperform anders ist als die der Männer. Frauenspezifische Features wären zum Beispiel ein schmalerer Hüftgurt oder vorgeformte Bereich bei Brust und Schultern.
  • Eine enganliegende und möglichst körpernahe Passform ist von sehr großer Bedeutung, jedoch sollte der Protektor an keiner Stelle einschneiden oder die Beweglichkeit einschränken. Dies lässt sich prüfen, wenn du bei der Anprobe deine Arme bewegst und deinen Oberkörper drehst und beugst. Vorsicht: Eine ungenaue Passform kann das Verrutschen des Protektors zur Folge haben und dadurch kann der Schutz nicht mehr gewährleistet werden!
  • Ein Silikonabschlussband und ein innenliegender weicher Klettgurt verhindern das Hochrutschen des Rückenprotektors.
  • Zu lang ist der Protektor, wenn er sich beim Hinsetzen oder in der Abfahrtshocke nach oben schiebt.
  • Entscheidest du dich für einen Protektor mit geringem Gewicht, wirst du das sicher nicht bereuen, da sich jedes Gramm zuviel über den Tag negativ bemerkbar macht.
  • Material: Der Protektor sollte aus höchst atmungsaktiven antibakteriellen Materialien sein und ein durchdachtes Ventilationssystem haben. – Es ist nie zu kalt mit einem Protektor, meist eher zu warm. Eine optimale Durchlüftung erhöht folglich den Tragekomfort.

 

Rückenprotektor Komperdell

©Komperdell

 

ARTEN VON PROTEKTOREN


Die Protektoren zum Umschnallen sind meist Hartschalenprotektoren, deren Gurte sich an Schultern und Nieren individuell anpassen und verstellen lassen. Beim Anziehen sollte man zuerst den Nieren- und anschließend den Schultergurt fixieren. Diese Rückenprotektoren haben eine bessere Belüftung, weshalb sie weniger oft gewaschen werden müssen. Sie lassen sich schneller ausziehen, birgen jedoch die Gefahr, leichter zu verrutschen.

Die Protektorenwesten sind meist Softprotektoren, die beim ersten Probieren ein angenehmeres Tragegefühl bieten als die zum Umschnallen. Um ausreichend Bewegungsfreiheit und Atmungsaktivität zu garantieren, sollten sie aus antibakteriellem, temperaturregulierendem und schnell trocknendem Stretch-Material sein. Durch ihre enge Passform kannst du – je nach Belieben – eine Kleidungsschicht weglassen, da  der Protektor eine sehr gute Wärmefunktion hat. Zum Waschen kann das Protektor Material einfach herausgenommen werden. Durch das meist vorhandene, abschließende Silikonband und den Klett-Nierengurt wird ein Verrutschen effektiv verhindert. Beispielsweise haben einige der Protektoren von Scott einen zweifach verstellbaren Hüftgurt, welcher eine noch körpernähere Passform ermöglicht und so Hohlräume zwischen Rücken und Protektor vermeidet. Ein weiterer Vorteil der Protektorenweste oder Jacke ist, dass sie auch zum Rundumschutz erweitert werden kann, indem man beispielsweise noch einen Schutz für Ellbogen- oder Brust einarbeitet.

Scott hat beispielsweise die sehr dünne D3O® Konstruktion entwickelt – eine Hyper-Dämpfungstechnologie, die sich bei heftigen Stößen verstärkt. Protektoren mit  D3O® sind so dünn, dass sie unter einem Rucksack getragen werden können. Body Glove hingegen verwendet die Bioflex Technology Pad Einlage, die dafür sorgt, dass du die Energie Absorbierung bei einem Crash kaum spürst.

Als dritte Art von Protektoren gibt es den Rucksack inklusive Protektor. Eine Auswahl an Rucksäcken, die einen integrierten Rückenprotektor haben, findest du hier. Dieser lässt sich auch herausnehmen und separat unter der Skibekleidung tragen. Der integrierte Protektor schützt sowohl vor Schlägen von außen, als auch vor dem eigenen Rucksackinhalt. Diese Rucksäcke mit Schutzfunktion sind vor allem bei Freeridern und Tourengehern sehr beliebt.

 

Verschiedene Protektoren von Body Glove, Alpina, Komperdell,  POC und Scott kannst Du Dir hier ansehen:

 

 

PROTEKTOREN FÜR KINDER


Gerade bei Kindern ist der Schutz der Wirbelsäule von großer Bedeutung. Deshalb sollte stets darauf geachtet werden, dass der Protektor dem Kind genau passt und bei jedem größeren Wachstumsschub erneuert wird. Ein zu kleiner oder zu großer Protektor birgt große Verletzungsgefahr und eine mangelnde Schutzfunktion. Einige Hersteller bieten Protektoren für Kinder mit einem 360°-Rundumschutz in den Größen 116-152 an und ermöglicht damit einen lückenlosen Übergang zu den Erwachsenen-Modellen.

 

 

PFLEGE UND LEBENSDAUER VON PROTEKTOREN


Da du in deinem Protektor sicherlich das ein oder andere Mal schwitzen wirst, solltest du ihn zwischenzeitlich waschen. Bei einigen Herstellern muss die Schutzfläche vor dem Waschgang entnommen werden. Ansonsten lassen sich die meisten Protektoren bei 30 Grad in der Waschmaschine waschen.

Wenn ein Protektor nach einem Sturz oder einem Zusammenstoß einen harten Schlag abbekommen hat und Mängel wie Risse oder kaputte Stellen aufweist, sollte er ausgetauscht werden. Auch wenn du über mehrere Winter keinen Unfall hattest, ist es dennoch ratsam, dir nach etwa 5 Jahren einen Neuen zuzulegen, da das Material möglicherweise nach gewisser Zeit nicht mehr den Schutz bieten kann, den es verspricht.

Auch wenn Rückenprotektoren dich nicht vor allen Verletzungen, wie vor Stauchungen und Verdrehungen der Wirbelsäule bewahren, können sie doch oft Schlimmeres verhindern. Mit einem Rückenprotektor fährt auch ein größeres Sicherheitsgefühl mit und vielleicht lässt dich das so manche Abfahrt noch mehr genießen. Es bleibt zu hoffen, dass man bald nur noch Skifahrer und Snowboarder mit Helm UND Rückenprotektor sieht!

 

Foto Header: Dainese/©RobertoBragotto