Testbericht: Ortovox Diract Voice LVS Gerät

Mit dem Diract Voice bietet Ortovox nun ein brandneues LVS-Gerät an. 3 Antennen – kennt man. Reichweite 50m – nichts neues. Gruppencheck Funktion – schon da gewesen. Aber das war es auch schon mit den Gemeinsamkeiten zu Geräten anderer Hersteller. Was das Gerät sonst noch kann soll dieser Praxistest klären. So viel sei vielleicht vorweggenommen: es ist die Summe der Verbesserungen, die das Diract Voice zu einem heißen Tipp für Skitouren-Einsteiger macht, aber auch für versierte Skibergsteiger.

 

 

Ortovox Diract Voice

 

 

April 2021 – ein Frühlingstag wie aus dem Bilderbuch. Allerdings mit einer für die Jahreszeit überdurchschnittlichen Schneelage. Grund genug das Gerät im realen Umfeld zu testen. Für das Saisonfinale geht es nochmal auf den Berg, der aus nahezu jedem Haus in Garmisch-Patenkirchen zu sehen ist: die Alpspitze. Rauf über den Nordwand-Klettersteig, runter die Steilabfahrt in der Nordflanke.

 

Unboxing

Schon beim Auspacken des Diract Voice fällt die wertige Haptik des Geräts auf. Cleane Optik, sauber verarbeitet und auch die Bedienung der Schalter und Knöpfe hinterlässt ein sehr „sattes“ Gefühl. Positiv hervorzuheben ist außerdem die Gummierung seitlich am Gerät – egal mit welchem Handschuh man das LVS herauszieht: es liegt top in der Hand und ein Verrutschen ist nahezu unmöglich. Noch schnell Batterien einlegen – ah…Moment. Da war was: Das Gerät kommt mit einem integrierten Lithium-Ionen Akku, der besonders für tiefe Temperaturen geeignet ist. Geladen wird er – zeitgemäß – über ein USB-C Kabel am Netzstecker, Laptop, Auto oder an einer Powerbank. Die Betriebsdauer liegt laut Ortovox im Sendemodus bei über 200 Stunden, im Such-/Empfangsmodus bei über 50 Stunden – ganz ohne Nachteile. Von den Daten auf jeden Fall top!

 

Grundfunktionen & Sprachnavigation

Zum Einschalten wird der Kippschalter ausgeklappt, der Power Button gedrückt und Schalter wieder zugeklappt – letzterer überdeckt damit den Knopf, was ein versehentliches Ausschalten des Diract Voice unmöglich macht. In dieser Position befindet sich das Gerät nun im Sende-Modus und kann sicher im Tragesystem verstaut werden. Bereits hier wird man das erste Mal auf die Sprachfunktion aufmerksam – ein Hinweis gibt einem zu verstehen, im Sendebetrieb unterwegs zu sein. Zum Umschalten in den Such- bzw. Empfangs-Modus klappt man den orangen Schalter auf, was selbst mit dicken Handschuhen problemlos funktioniert und wieder kurz durch die Sprachausgabe des Diract Voice bestätigt wird.

Auch in der Signalsuche, Grobsuche und Feinsuche wird der Erstretter mit Sprach-Kommandos unterstützt. Diese sind bewusst so gewählt, dass nur die nötigsten Anweisungen an den Suchenden weitergegeben werden. Kommandos wie „Laufe in 50m Suchstreifen und halte Ausschau“, „Laufe geradeaus“ oder „Halte dich links“ helfen in der enormen Stresssituation einen kühlen Kopf zu bewahren (Sprache beruhigt in Notfall-Situationen) und sorgen für eine schnelle Annäherung – ein echtes Novum auf dem Markt der LVS-Geräte! Nachdem beim Suchvorgang auf einem Lawinenkegel nicht dauerhaft auf das Display geblickt werden kann, ist dieses Feature eine sinnvolle Ergänzung – das Grundwissen über das Vorgehen in einer Verschüttetensuche soll und will die Sprachnavigation jedoch nicht ersetzen.

 

 

Ortovox Diract Voice

 

 

Sicherheitsfeatures

Neben einer Gruppen-Check Funktion, die mittlerweile auch zum Standard eines modernen LVS gehört, besitzt das Gerät außerdem einen Standby Modus, in dem das Gerät zwar eingeschaltet ist, aber nicht sendet oder empfängt. Vor allem in Szenarien, in denen mehrere Helfer am Unfallort sind, allerdings keine aktive Funktion bei der Verschüttetensuche einnehmen, kann der aktivierte Standby Modus Störsignale bei der LVS Suche vermeiden. Aber wie steht es um den Nachlawinenschutz in dieser Situation? Keine Sorge – nach 120 Sekunden ohne Bewegung schaltet das Diract Voice aus dem Standby Modus, dem Suchmodus und dem Gruppencheck-Modus wieder in den Sendebetrieb.

Bei LVS Geräten sollte auch immer zwischen maximaler und verwertbarer Reichweite differenziert werden. „Verwertbar“ heißt in diesem Fall, dass die Signalstärke für eine verlässliche Richtungsanzeige des 360° Pfeils ausreicht. Die verwertbare Reichweite des Diract Voice lässt auch unter ungünstigeren Bedingungen eine Suchstreifenbreite von 50m zu. Mehrere Suchdurchläufe bestätigen diesen Wert, vorausgesetzt das zu findende Gerät liegt nicht in einer ungünstigen Koppellage. In diesem Fall hat so gut wie jedes Gerät am Markt eine geringere Suchreichweite – außer der Verschüttete ist im Besitz eines Geräts mit Smart Antenna. Dieses Feature analysiert während des Sendebetriebs die Positionen der drei Antennen und schaltet automatisch auf die Beste um. Dadurch erhöht sich einerseits die Sendereichweite und andererseits die Präzision bei der Feinsuche. Während sich im Praxistest ein senkrecht stehendes, ca. 15 Jahre altes 3-Antennen Gerät eines anderen Herstellers nur mit Mühe finden ließ, wurde das Diract Voice in der ungünstigsten Koppellage ohne Probleme geortet. Eine klasse Funktion, die ein weiteres Sicherheitsplus im Ernstfall darstellt!

Zurück in der Suchfunktion ist für die Feinsuche außerdem nützlich zu wissen, dass die Richtungspfeile aber nach einer Distanz von 3m verschwinden und dann mit dem klassischen Auskreuzen begonnen wird. Gerade in dieser Phase wurde beim Testgerät die Suchpräzision nochmal deutlich gesteigert. Warum ist dies gerade hier wichtig? Durch gezielte Zeitmessungen wurde festgestellt, dass besonders im Nahbereich der Suche am meisten Zeit aufgewendet wird und hier das größte Verbesserungspotenzial schlummert. Das Diract Voice lag hier bei Suchübungen mit hoher Reproduzierbarkeit immer goldrichtig und konnte präzise den kleinesten Wert anzeigen – mehr kann man sich hier eigentlich nicht wünschen. Ist dann ein Gerät lokalisiert und soll im Zuge einer Mehrfachverschüttung ausgeblendet werden, kommt die Markierfunktion zum Tragen, was in unseren Test selbst mit mehreren Geräten im Nahbereich sehr zuverlässig funktioniert hat.

 

Was ist sonst noch aufgefallen?

Tragesystemen von LVS-Geräten wird bisher kaum Beachtung geschenkt – jedoch zu Unrecht. In Kurzform: Flach, ergonomisch, durchdacht. Die beim Diract Voice mitgelieferte Halterung trägt kaum auf und sitzt verrutsch-frei am Körper. Das eigentliche Highlight ist jedoch der Entnahme-Mechanismus. Die Lasche zum Sichern des Geräts in der Halterung hat eine Hybrid-Funktion: öffnet man sie und zieht daran, ploppt einem das LVS so weit entgegen, dass man es fast schon in der Hand hat. Der im Schultergurt integrierte RECCO Reflektor ist hier ein weiteres Feature, was „Ich-trage-mein-LVS-in-der-Hosentasche“-Fanatikern die Argumente nimmt auf ein Tragesystem verzichten zu wollen. Auch für mich überwiegen die Vorteil, weshalb ich es auf künftigen Touren aufgeräumt am Körper tragen werde.

Im Zeitalter der Digitalisierung und Smartphone Apps ist es nur selbstverständlich, dass im Gerät ein Bluetooth Modul verbaut ist, über das Software-Updates vom User selbst durchgeführt werden können. Die dazugehörige App macht künftig – zumindest für diesen Anlass – einen Besuch beim Händler des Vertrauens überflüssig.

 

 

Ortovox Diract Voice

 

 

Wo reiht sich das Ortovox Diract Voice ein?

Neben dem Diract Voice wird außerdem noch das Diract angeboten, was auf die Sprachnavigation verzichtet, sonst jedoch die identischen Funktionen und Features besitzt. Diese beiden Geräte ersetzen das Ortovox 3+, was nun auch viele Jahre am Markt erhältlich war. Das Ortovox Diract Voice sowie das Ortovox Diract sind außerdem im Set (inkl. Sonde und Schaufel) erhältlich. 
 

 

Fazit:

Sowohl Einsteiger als auch erfahrene Skitourengänger bekommen mit dem Ortovox Diract Voice ein sehr gut geschnürtes Gesamtpaket mit zahlreichen Verbesserungen zu vorherigen Geräten. Die stetige Weiterentwicklung gipfelt in der innovativen Sprachnavigation, die vor allem in Notfall-Situationen ihre Stärken ausspielen soll. Natürlich hofft man, dass es nie so weit kommt – im Ernstfall sind aber wohl die meisten Betroffenen dankbar, um jede zusätzliche Hilfestellung.