Ana Zirner – Die Bergsüchtige

Ana Zirner, die Frau, die hinter dem Projekt Ana’s Ways steht, kommt aus dem wunderschönen bayerischen Chiemgau. Aufgewachsen ist sie natürlich in den Bergen, in der Nähe der Kampenwand. Doch die idyllische Kindheit auf dem Lande hat sie nicht davon abgehalten auch mal etwas Großstadtluft zu schnuppern. Dabei konnte sie schon einige große Städte ihr Zuhause nennen: von Chicago, nach New York, mit einem Abstecher nach Madrid und Berlin. Doch jetzt lebt sie wieder in den Bergen: in Oberaudorf im Inntal, ganz in der Nähe des Wilden Kaisers. Wenn unsere Ana nicht gerade in den Bergen unterwegs ist, um neue Energie zu tanken, dann schreibt sie Bücher über ihre Erlebnisse. Im renommierten Malik Verlag (Piper) erschien 2018 Alpensolo, 2020 dann das neue Buch Rivertime.

 

Im Jahr 2017 überquerte Ana in 60 Tagen die Alpen von Ost nach West im Alleingang. Sie begann die knapp 2000 km lange Route in Ljubljana (SLO)  und ging auf ihren 9 Etappen durch fünf Länder bis nach Grenoble (FRA). 2018 setzte sie ihren Weg nach Westen fort, und überquerte die Pyrenäen vom Mittelmeer zum Atlantik. 2019 schließlich begleitete sie den 2.330 Kilometer langen Colorado River mit einem Packraft und zu Fuß, von seinem Ursprung in den Rocky Mountains bis ans Meer in Mexiko. Über ihren Blog, ihren Instagram-Kanal @anasways, und der anas ways Facbook Seite hält sie uns regelmäßig mit Updates zum Verlauf ihrer Touren auf dem Laufenden.

 

Im Interview mit ana zirner


Hi Ana, zunächst mal, wer unterstützt Dich bei Deinen Projekten?

Allen voran natürlich mal ihr, also Sport Conrad. Ich freue mich sehr über diese Zusammenarbeit, das fühlt sich nach wie vor alles sehr gut und richtig an. Außerdem werde ich von Vaude unterstützt und engagiere mich als Athletin in der POW Riders Alliance. Über meine Projekte schreibe ich regelmäßig für das Magazin Bergwelten.

 

Warum gehst du in die Berge?

Ich muss aktiv sein, um denken zu können. Deswegen gehe ich schon immer gerne in die Berge. Ich kann mir keinen besseren Ort vorstellen als die Berge, um Überblick, Einblick und Ausblick zu gewinnen. Die Berge verändern die Perspektive und lehren mich Demut. Sie stärken mein Bewusstsein und machen mich achtsamer. Es gelingt mir am Berg immer öfter, wirklich den Moment genießen zu können, ohne von ihm gefangen zu sein.

 

Wenn du losziehst, machst du wirklich umfangreiche Projekte. Wie lange planst du sowas?

Ich nehme mir generell im Leben gerne große Dinge vor [lacht]. Die Ideen für meine Touren reifen normalerweise recht lange, also zwischen 6-18 Monaten. Lustigerweise rede ich erstmal darüber, dass ich ein bestimmtes Projekt machen werde und fange erst danach an, im Detail zu planen. Ich glaube, dass ich für mich die Projekte in die Realität versetze, indem ich sage, dass ich sie machen werde. Alles was danach kommt, ist Planung, Training und anpassen der Rahmenbedingungen. Und dann gehe ich einfach los.

 

Was nimmst Du bei Deinen Projekten normalerweise so mit?

So wenig Kleidung wie möglich [lacht]. Hauptsächlich hab ich Merinobekleidung dabei, weil das warm hält aber gut lüftet, nicht so schnell stinkt und einfach zu waschen ist. Dass die Klamotten gut aussehen ist mir ehrlich gesagt bei so langen Projekten dann auch nicht ganz unwichtig [lacht]. Dann noch eine Primaloft Jacke, Regenzeug, je nachdem wo ich unterwegs bin auch andere alpine Ausrüstung wie Steigeisen und Eispickel… Ich lasse die Yogamatte zwar daheim, weil die zu schwer ist, aber ich finde immer ein paar Bergwiesen für mein tägliches Yoga… [lacht].

Außerdem habe ich eine kleine Blackroll dabei, sowie Kinesio- und Leukotape für das verarzten von Füßen, Muskeln und Faszien. Dann natürlich meinen Schlafsack, Isomatte und Biwaksack. Unterwegs lasse ich mir dann Pakete mit Verpflegung schicken, damit ich nicht alles tragen muss. Aber ich versuche natürlich alles auf ein Minimum zu reduzieren, weil es sonst ein zu schwerer Rucksack wird.

 

 

Nimmst Du noch irgendwas spezielles mit, was Dir persönlich am Herzen liegt?

Ich nehme immer eine kleine Karte zum Lesen der Sterne mit. Wenn ich dann in meinem Schlafsack unter dem Sternenhimmel liege, kann ich lernen die Sterne zu lesen und den Himmel mal richtig kennenlernen. Früher haben sich die Leute ganz stark an den Sternen orientiert. Heute nehmen wir uns ja kaum Zeit einmal nach oben zu schauen. Ja, es ist unglaublich faszinierend, wie hell die Sterne in den Bergen fernab vom künstlichen Licht zu leuchten scheinen.

 

Wie handhabst Du das Thema Ernährung? Stellst Du Dir einen Ernährungsplan für die Touren zusammen?

Zum Einem wird mir ein Paket mit Lebensmitteln, die ich gerne auch selber zu Hause in meinem Dörrapparat herstelle, jeweils an den Etappenstart geschickt. Ansonsten steuere ich schon auch mal eine Hütte für eine warme Mahlzeit an, weil ich es ja spannend finde die kulinarischen Unterschiede zu erleben. Und ab und zu kommt man ja auch ins Tal und kann was einkaufen. Dann esse ich vor Allem Gummibärchen. Soweit mein Ernährungsplan [lacht].

 

Wie trainierst du eigentlich im Vorfeld eines Projekts?

Naja, ich bin auch zwischen meinen größeren Projekten ja gerne und viel in den Bergen unterwegs und so bewahre ich mir (hoffentlich) eine Grundfitness. Als Bergwanderführerin (UIMLA) arbeite ich ja auch in den Bergen. Im letzten Monat vor einem Projekt trainiere ich dann intensiver, also auch mit einem schwereren Rucksack, in größerem Tempo und mit längeren Etappen. Außerdem bereite ich ganz gezielt meine Füße auf die Belastung vor, also mit Calcium-Fußbädern, Hirschtalgsalbe, Massagen und Barfuß-Wandern, was all die kleinen Muskeln im Fuß gezielt trainiert. Tägliche Yogaeinheiten helfen mir, auch unterwegs, die nötigen physische und mentale Balance zu bewahren.

 

Erzähl uns doch mal etwas mehr von Dir selber, woher kommt diese unglaubliche Liebe zu den Bergen?

Als ich in der 9. Klasse war, hatten wir einen wirklich tollen Lehrer, der eine Alpenüberquerung (Nord-Süd) mit uns gemacht hat. Es ging dabei runter bis in die italienischen Alpen. Auf dieser Tour haben wir ein paar massive Dinge erlebt und z.B. eine Steinlawine überlebt. Ich habe dabei sehr viel über die Berge und über mich darin gelernt. Auf diesem Ausflug habe ich die wohl wichtigste Lektion als Bergsteigerin gelernt: dass man die Berge respektieren muss. Ich glaube, dass es ein Trugschluss ist zu behaupten, dass man die Berge erobern kann. Es geht vielmehr darum, dass diese mächtigen Berge so freundlich sind, mich kleinen Menschen dort verweilen zu lassen. Und in diesem Erlebnis kann ich als Mensch auf eine Art wachsen, wie sonst nirgends im Leben.

 

Was machst Du am liebsten in den Bergen?

Im Winter bin ich definitiv am liebsten auf meinem Snowboard unterwegs – und am liebsten abseits der Skigebiete beim Splitboarden. Im Sommer mache ich, wenn ich nicht gerade in einem Projekt stecke, am liebsten Hochtouren, weil ich Gletscher über alles liebe. Aber ich gehe auch gerne einfach wandern. Früher hatte ich noch Spaß am downhill longboarden, aber dafür habe ich inzwischen zu viel Schiss [lacht].

 

Und wo ist Dein „all-time-favorit-happy-place“ in den Bergen?

Ganz klar: das Vinschgau in Südtirol. Ich liebe die Vielseitigkeit des dramatischen Gebirges dort, die Farben, die Gletscher, die Herausforderungen. Aber auch die Menschen, denen ich mich irgendwie nah fühle. Ich komme immer wieder nach Trafoi am Ortler zurück.

 

Du hattest zuvor erwähnt, dass Du gerne Deine Yogamatte mitnehmen würdest. Ist Yoga denn so wichtig für Dich?

Ja, definitiv! Bei mir fängt jeder Morgen mit einer Yogastunde gleich nach dem Aufstehen an. Ich tendieren dazu Dinge recht schnell und hektisch zu erledigen, Yoga hilft mir dabei mich zu konzentrieren und runterzufahren bevor ich in den Tag starte. Auf meiner Reise werde ich hauptsächlich Yin-Yoga praktizieren – ein Yogastil bei dem man sehr gut zur Ruhe kommt. Beim Yin-Yoga kann man durch langes passives halten einzelner Posen optimal Dehnen und an die Faszien herankommen.

 

Und nur noch etwas ganz wichtiges: Was willst du in der Zukunft so unternehmen?

Es gibt unendlich viele Pläne und ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll. Ich will den Kaukasus überqueren, ich will ganz lange nach Island und noch viel mehr. Seit 2020 mache ich keine Flugreisen mehr (Klima). Dadurch ist einerseit mein Radius etwas eingeschränkt, andererseits finde ich es toll, dass man bei den Reisen auf dem Boden wieder ein wirkliches Empfinden für Distanzen und die Übergänge zwischen Kulturen entwickeln kann. Meine Projekte sind meist auch mit politischen oder kulturellen Themen verbunden, aber das würde hier jetzt zu weit führen. Aber wen’s interessiert, der findet auf meinem Blog noch mehr dazu: www.anasways.com.